Schweigen ist Gold

Schweigen ist Gold - Bild 1

Bild 1:

Man hat mich gestellt. Aber wohin? Gar irgendwohin? In einen Club vielleicht? Oder auf eine Bühne? Ist das vor mir ein Vorhang, ein drapierter Faltenwurf? Ja, es muss eine Bühne sein, eine finstre. Zappenduster wär es hier drinnen, würden nicht Scheinwerfer gleich Kometenschweife den Staub uns sichtbar machen. Dazu ein Spot, der mein Dasein erleuchtet.

 Man erwartet, dass ich tanzen möge, nicht wahr? Wozu hab ich mein Haar zum Dutt geknotet? Wozu diese grazile Ballerinen-Brust, die der Schwerkraft noch trotzt? Daneben mein Arm: Gelassen, in sich ruhend, anders als die überagile Dame mit der Löwenmähne auf meinem Rückentatoo. Ah, wie sie sich räkelt mit ihrem Partner auf jener fulminanten Körperleinwand zwischen Nacken und Steiß, zwischen Nacken und Steiß!

 Und meine Beine, die vieltrainierten? Du kannst sie gut erkennen, nicht wahr? Mein Abendkleid – ein Cocktailkleid vielmehr – gibt ja einiges preis! Und dass es nicht langt bis zu den Knöcheln oder wenigstens bis zu den Knien! Du genießt es, nicht wahr? Denn so kannst du mein Heiligtum besser erkennen. Ist das ein Arsch, frage ich dich, ist das ein Knackarsch? Ah, jetzt, jetzt wend ich mich um und blicke über meine rechte Schulter in deine Richtung, Publikum. Wie viele seid ihr? Oder … mein Gott! … bist du nur einer? Wie du mich lüstern anschaust! Du hast mich ertappt! Du willst mich, jetzt, du willst mich, ist es nicht so?

von Ingo Munz


 

Schweigen ist Gold - Bild 2

Bild 2:

Das Dunkel um euch herum wird nur durch zwei, sich im Hintergrund kreuzenden Lichtstrahlen durchbrochen. Etwas Nebel oder Rauch steigt empor. Eine Diskothek? Ein Club? Ich meine Musik zu hören… Die Mitte des Bildes gehört nur euch. Keine anderen Körper machen euch die Bühne streitig.

Rechts ein muskulöser Mann mit kurzen schwarzen Haaren, der sein Gesicht zu ihr neigt. Will er sie gerade auf ihre rechte Halsseite küssen? Oder will er einen Blick auf das erhaschen, was seine Hände da hinter ihrem Rücken tun? Seinen rechten Arm hat er erhoben, um sie zu umgreifen, etwas hinter ihren Schultern, unter ihren dunklen halblangen Locken, zu fassen. Sie trägt nicht viel. Vielleicht nur einen Slip oder einen sehr knappen Rock, ein ungenutzter Straps hängt locker auf ihrem rechten Oberschenkel herab. Den dazu gehörigen Strumpf meine ich untern locker am Bein zu erkennen. Am Oberkörper trägt sie eine schwarze Korsage, die bei genauerer Betrachtung verdächtig weit am Rücken absteht. Die Bänder lose. Ich bekomme eine Ahnung, was er da hinter ihrem Rücken macht. Es wirkt allerdings nicht so, als würde er sich allein auf das Entkleiden fokussieren. Es sieht vielmehr aus wie ein innig verschlungener Tanz. Die Beine im Rhythmus bewegend ineinander gestellt. Sein linkes zwischen die ihren. Seine linke Hand im Rhythmus auf ihren Hüften wiegend. Sie hält ihren Arm hinter ihren Rücken. Ob sie ihm beim Lösen der Schnüre hilft? Sein ganzer Körper wirkt muskulös aber schlank. Nur ein schwarzer String verhüllt ihn. Nein, da ist noch ein Hauch mehr zu erkennen. Ein durchsichtiges Oberteil mit lackschwarzem Kragen und Armbünden. Ebenso meine ich seine Beine von einem Hauch Nichts bekleidet.

Vor der Bühne ein Liniengewirr im Dunkel. In einander verschlungene Körper? Köpfe? Schulter- und Rückenpartien? Brüste, die nach oben ragen? Dem Paar auf der Bühne scheint es nicht zu stören. Sie wirken vollkommen in ihrer Intimität versunken

von Franziska Appel

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