Metamorphose
Zwei Menschen beim Liebesspiel in einem schwarzen Raum. Ihre nackten Leiber glänzen trotz der Dunkelheit wie in Mondlicht getaucht. Ich als Betrachter blicke aus der Vogelperspektive auf sie herab, jedoch ohne sie zu stören, sie sind ganz bei sich, versunken in den Augenblick.
Beide Menschen haben kurze Haare, es handelt sich um zwei Männer. Der erste, dem Betrachter zugewandte Mensch liegt auf dem Rücken, den Kopf auf ein dickes Kissen gebettet, sein Unterleib wird durch den Körper des Partners vom Betrachter abgeschirmt. Was hier zunächst auffällt, sind die sehr dünnen, locker zu seinen Seiten platzierten Arme und der vergleichsweise untrainierte Burstkorb. Ausdrucksstark ist dagegen sein freundliches Gesicht mit den schmalen, genüsslich zum Partner blickenden Augen und den zu einem feinen Lächeln gekräuselten Mundwinkeln. Innere Ruhe, Zufriedenheit, aber auch freudige Erwartung spiegeln sich darin wider. Gerne würde man mehr über diesen Mann mit dem ›Mona Lisa-Lächeln‹ erfahren.
Der zweite Mensch hockt über dem ersten, er wendet uns den Rücken zu. Es ist ein muskulöser Rücken, der neugierig macht. ›Dreh dich doch mal um!‹, würde man ihn am liebsten auffordern, aber das wäre natürlich zwecklos, in seinem Universum hat der Gerufene nur Augen für seinen Gefährten.
Sein Kopf ist leicht nach links gedreht, sodass wir zwischen strubbeligen Haaren das linke Ohr und einen Teil der linken Wange hervorblitzen sehen können. Der kräftige linke Arm ist angewinkelt, so scheint er sich mit dem Handrücken das Ergebnis seiner passionierten Hingabe von den Lippen wischen zu wollen. Die rechte Hand entzieht sich derweil unseren Blicken. An welche zärtlichen Berührungen diese sich womöglich verschenkt, das bleibt der Fantasie überlassen.
von Pia Lüddecke