Tiefe Verbundenheit
Sie ist nackt. Gefesselt. Hilflos. Eine Schönheit ohne Gesicht. Mehr Objekt als Mensch. Durch die Rückenlage treten die wohlgeformten Brüste und der fraulich proportionierte Unterleib schutzlos hervor – der Betrachter wird hier automatisch zum Voyeur. Dicke ineinander verknotete Schnüre winden sich stramm um das weiche Fleisch, und es erweckt den Anschein, als würden sich diese Schlingen bei der geringsten Regung nur noch straffer zusammenziehen.
Der Eindruck völliger Hingabe wird auch dadurch intensiviert, dass sich die Zeichnung auf einen Ausschnitt beschränkt; wir lediglich den Rumpf der Frau zu sehen bekommen. Ihr Kopf verschwindet am unteren linken Bildrand. Die Arme sind eng hinter dem Rücken zusammengebunden, die Hüften etwas höher gelagert. Die Beine treten oben rechts aus dem Blickfeld hinaus.
Sie kann sich weder wehren, noch fortlaufen. Aber will sie das überhaupt? Ist das ein erotisches Spiel? Wird sie bewusst ruhig gestellt? Die Antwort bleibt ungewiss, und sie ist vielleicht auch unerheblich, da wir ohnehin nichts tun können, als diese unbekannte Schöne in ihren Fesseln zu betrachten.
von Pia Lüddecke